VORNAHME DURCH EINE KAPITALGESELLSCHAFT EINER HANDLUNG OHNE ERFORDERLICHE ZUSTIMMUNG DES BERECHTIGTEN ORGANS

10.11.2022

Der Vorstand bzw. die Geschäftsführung einer Kapitalgesellschaft als geschäftsführungs- und vertretungsberechtigtes Organ nimmt häufig Rechtsgeschäfte ohne die erforderliche Zustimmung eines anderen Gesellschaftsorgans, z.B. der Gesellschafterversammlung oder des Aufsichtsrats, vor, obwohl sich die Zustimmungspflicht entweder unmittelbar aus dem Gesetz, der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag ergibt.

In solchen Situationen fragen unsere Kunden uns oft, ob ein solches Vorgehen zur Nichtigkeit der vorgenommenen Rechtshandlung führt und eine nachträgliche Zustimmung möglich ist.

Die Antwort auf die vorgenannten Fragen hängt von der Quelle der Pflicht zur Einholung der Zustimmung eines bestimmten Organs ab, da gemäß Artikel 17 des Gesetzbuchs für Handelsgesellschaften (nachfolgend HGGB) die Rechtsfolgen im Falle einer fehlenden, gesetzlich vorgeschriebenen Zustimmung anders sind, als im Falle einer fehlenden Zustimmung, die sich allein aus dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung der Gesellschaft ergibt.

Wenn die Pflicht, die Zustimmung der zuständigen Organe zur Vornahme einer Handlung einzuholen, dem Gesetz zu entnehmen ist, ist eine ohne die erforderliche Zustimmung vorgenommene Handlung nach dem Wortlaut von Artikel 17 § 1 HGGB nichtig und verursachen folglich die beabsichtigten Rechtswirkungen nicht.

Es ist jedoch zu beachten, dass Artikel 17 § 2 HGGB sieht die Möglichkeit vor, eine solche Maßnahme in Form einer nachträglichen Zustimmung, zu bestätigen. Sie sollte jedoch spätestens innerhalb von 2 Monaten ab dem Datum der Vornahme der betreffenden Rechtshandlung durch die Gesellschaft erteilt werden – dann ruft die Rechtshandlung ihre Rechtswirkungen ab dem Zeitpunkt ihrer Vornahme hervor (die innerhalb der gesetzlichen Frist geäußerte nachträgliche Zustimmung hat demnach eine  rückwirkende Wirkung).

Zu erwähnen ist auch der Fall einer Handlung, deren Wert mindestens das Doppelte des Stammkapitals der Gesellschaft mit beschränkter Haftung beträgt, was in der Regel – sofern in dem Gesellschaftsvertrag nicht anders festgelegt ist – der Zustimmung der Gesellschafterversammlung gemäß Art. 230 HGGB erfordert. Gleichzeitig sieht die Regelung der vorgenannten Vorschrift jedoch vor, dass die Vorschrift des Artikels 17 § 1 HGGB hier keine Anwendung findet, was bedeutet, dass ein solches ohne die erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung getroffene Rechtsgeschäft nicht für nichtig erklärt werden kann. Infolgedessen haben die Kontrahenten der oben genannten GmbH keine negativen Folgen zu tragen, wenn die Gesellschafterversammlung keinen Beschluss über die Zustimmung zu einer Maßnahme fasst, die das Doppelte des Stammkapitals dieser GmbH übersteigt, was  eine erhebliche Stärkung der Sicherheit und der Gewissheit der Rechtsgeschäfte sichert. Nimmt die Geschäftsführung jedoch eine solche Rechtshandlung ohne die Zustimmung der Gesellschafterversammlung vor, kann dies eine Schadensersatzpflicht oder eine Organisationshaftung der Geschäftsführungsmitglieder nach den im folgenden Absatz genannten Grundsätzen nach sich ziehen.

Ergibt sich hingegen die Verpflichtung, die Zustimmung des Organs der Kapitalgesellschaft zur Vornahme einer Rechtshandlung einzuholen, ausschließlich aus dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung der Gesellschaft (und nicht aus einer gesetzlichen Vorschrift), so ist die ohne die erforderliche Zustimmung vorgenommene Handlung zwar gültig und wirksam, doch können die Mitglieder dieses Organs wegen Verstoßes gegen den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung der Gesellschaft haftbar gemacht werden (Artikel 17 § 3 HGGB). Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17. April 2015 (Az. I CSK 289/14) kann die Gesellschaft in einer solchen Situation eine Klage gegen die Mitglieder des Vorstands oder Geschäftsführung erheben, welche ohne die nach der Satzung oder dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Zustimmung handeln. Im Schadensfall haften die einzelnen Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitglieder gemäß den Artikeln 293, 300125 und 483 HGGB, welche die Haftung eines Vorstands-bzw. Geschäftsführungsmitglieds für einen Schaden vorsehen, der durch eine Handlung oder Unterlassung verursacht wurde, die gegen das Gesetz oder die Bestimmungen der Satzung der Gesellschaft verstößt (außer in Fällen, in denen das Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitglied kein Verschulden trifft). Wurde der Gesellschaft jedoch kein Schaden zugefügt, können die möglichen Folgen für die Vorstands- bzw. Geschäftsführungsmitglieder ihre organisatorische Haftung betreffen, unter anderem in Form einer Abberufung der betreffenden Person aus dem Vorstand oder der Geschäftsführung.

Sollten Sie Fragen zu den in diesem Artikel angesprochenen Themen haben, wenden Sie sich bitte an unsere Kanzlei.

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